Die Theaterpreise 2012 sind vergeben:
Den Preis für die beste Inszenierung der letzten Spielzeit erhielt die Wagner-Oper "Lohengrin" in der Inszenierung von Kai Metzger. |
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Für herausragende künstlerische Leistungen wurde die Mezzosopranistin Regina Pätzer geehrt. |
Herzlichen Glückwunsch!
Die „Lohengrin“-Inszenierung von Kay Metzger führt die Wagner-Tradition in Halberstadt fort und schlägt den Bogen zu König Heinrich I. in Quedlinburg.
Das Ensemble bewies bereits in der 200., mit einem „Unverzichtbar“ überschriebenen, Spielzeit, dass es weiter mit künstlerischen Leistungen zu punkten vermag.
„Mein lieber Schwan“ mag man nach Richard Wagners Lohengrin sagen, wenn es um eben diese Oper und ihre Aufführung in Halberstadt geht. Das Haus hat es gewagt und nach 1926 das Werk erneut auf die Bühne gebracht. Immerhin konnte es zwischen 1876 und 1926 in 43 Vorstellungen erlebt werden. 12 kamen nun dazu. Übrigens, sollten die Quellen stimmen, stand damals die dreifache Personage von heute auf den Bühnenbrettern.
Damals sprach man von Halberstadt als dem „kleinen Bayreuth“, schließlich reicht die Wagner-Tradition bis ins Jahr 1853 zurück. Mal abgesehen von den „Feen“, „Liebesverbot“, „Rienzi“ und „Parsifal“ wurden laut den Theater-Statistikern alle Werke Wagners hier aufgeführt. Das verdankte die Stadt vor 100 Jahren dem glühender Wagner-Verehrer und Gallenblasenoperateur Professor Hans Kehr.
Damals sangen in Halberstadt die Spitzenkräfte aus dem bayrischen Festspielhaus auf dem grünen Hügel.
Nun hat Kay Metzger die Tradition fortgeführt, sowie er einst bereits „Tannhäuser und „Der Fliegende Holländer“ herausbrachte, viel diskutiert, gelobt und auch bebuht. Ihm und seinem Team verdanken wir eine Inszenierung, die außer in der Titelpartie mit den eigenen Kräften zurecht kommt oder zurecht kommen muss.
Ja, das ist ein permanentes Ausschreiten eigener Grenzen, denen des Hauses und jedes einzelnen Sängers und Musikers. Auch wenn heute Bayreuth deutlich ferner scheint als zu Kehr-Zeiten. Die Inszenierung war Muskelspiel und Leistungsschau zugleich geriet zum Kraftakt und zum Steinchen im Kultur- und Theaterfinanzierungspuzzle dieses Landes. Ein Teil des Publikums reist von fernab ins Quedlinburger Große Haus, um „Lohengrin“ zu sehen. Eine überregionale Sonntagszeitung hatte von der kleinsten Bühne geschrieben, auf der Wagners Opernwerk gespielt wird. Die Premiere mischte Wagnerianer und Teile des trotzig-aktiven Neu-Bildungsbürgertums, die was tun wollen, um ihr Theater zu erhalten, das seine 200. Spielzeit mit einem „Unverzichtbar“ nebst Ausrufe-Zeichen überschrieb.
Die Freude darüber, dass noch Wagner gespielt werden kann, überstrahlte alle Diskussionen, wie dessen berühmtes Werk über die Bühne geht. Fast wünschte man sich einen Theaterskandal, ein Fanal statt dieser professionellen, solide gearbeiteten Regieleistung von Metzger. Sicher, solide, niveauvoll, sind auch die Attribute, die die Inszenierung beschreiben, das Wort Innovation fällt für das Historiendrama nicht. Der Schwan kommt im Guckkasten-Scherenschnitt-Kino ins dauerpräsente Theater auf dem Theater.
Im Graben Wagnerklang, dem man die gewaltige Kraftanstrengung inklusive Orchesterverstärkung nicht anmerken soll, saßen doch im Orchestergraben Zusatz-Musiker für Harfe, 4. Horn und jeweils dritte Trompete, Oboe und Fagott. Laut Musikdirektor waren es „bei der Uraufführung in Weimar auch nicht mehr.“ Auf der Bühne singt neben den Solisten der durch Coruso verstärkte, bestens studierte Hauschor. Als Lohengrin-Rollendebütant ein überzeugender Wolfgang Schwaninger, Katharina Warken und Klaus-Uwe Rein ebenso an seiner Seite wie das Paar Juha Koskela und Gerlind Schröder.
Heute ist der Tag, an dem die Jury des Theaterpreises diese Produktion ehren möchte, nicht der Tag für Klagelieder. Bei der Überreichung dieses „Mutmacher-Preises“ soll aber auch nicht vergessen werden, dass es sich lohnt, für das Theater im Harz einzustehen und zu fragen, wohin die Fahrt gehen wird. Auch wenn es gerade in der zu preisenden Inszenierung heißt:
„Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam’ und Art!“
Seit drei Jahren gehört Regina Pätzer zum Ensemble des Musiktheaters. In unterschiedlichen Rollen bot sie neben höchster Stimmkultur auch darstellerische Wandlungsfähigkeit.
Dies dokumentierte sie besonders in der Inszenierung „Pierrot Lunaire“ als Pierrot-Alter-Ego. Hierbei meisterte sie eine besondere, hervorragende Form der Interpretation von Gesang und Darstellung.
Sie hat sich in sehr kurzer Zeit zu einer besonders eindrucksvollen Mezzosopranistin entwickelt.
(Bild aus der Mitteldeutschen Zeitung vom 20.11.2012)
Nachdem wir nun die Preisverleihung für die beste Inszenierung erleben konnten, erhebt sich die Frage: Wer bekommt den Einzelpreis in der sechsten Auflage?
Die Arbeit der Jury war nicht leicht. Aus den vielen hervorragenden Künstlern unseres Hauses ist es nicht einfach gewesen, den- oder diejenige als Preisträger zu küren. Dabei läuft man Gefahr, dass der Theaterpreis gleichgesetzt wird mit der Würdigung des Lebenswerkes eines Künstlers. Nicht heute und nicht hier.
Die Künstlerin – und damit ist klar, es handelt sich um ein weibliches Ensemblemitglied – ist noch lange nicht am Ende ihrer Laufbahn. Eigentlich steht sie erst am Anfang.
Was hat die Jury bewogen gerade ihr den Theaterpreis zu zuerkennen?
Ein expressionistischer Gedichtzyklus des Belgiers Albert Giraud wurde von Arnold Schönberg in der von ihm entwickelten Atonalität in der Zwölftontechnik als „Dreimal Sieben Gedichte“ an unserem Haus mit „Pierrot Lunaire“ gewagt. Gewagt und gewonnen, muss man sagen, denn die Gedichte wurden in dieser Aufführung hervorragend interpretiert und gesanglich mit höchstem Niveau gemeistert. Und dies wurde im Spiel auf der Bühne alles auswendig dargeboten.
Als Zuschauer hatte man schon Schwierigkeiten den Text mitzulesen. Ein solches Werk kann man nicht in einer normalen Vorbereitungszeit lernen, das bedeutet eine lange Hinwendung auf diese Rolle mit ihrer Umsetzung. Als Pierrot - Alter Ego - brillierte die Sängerin sowohl stimmlich, als auch in der Darstellung. Die musikalisch, wie technisch höchste Hürden, die dem Werk innewohnen, wurden von ihr beispielhaft gemeistert.
Dass auch andere Häuser sie zu einer entsprechenden Interpretation einluden, ist fast logisch.
Alle bisherigen Rollen an diesem Haus wurden durch sie mit hoher gesanglicher Präzision und Einfühlsamkeit umgesetzt, so dass man getrost in der Zukunft höchste Erwartungen in sie setzen kann. Wir werden dies hoffentlich mit Freude verfolgen können.
Sie verbindet hervorragend ihre gesangliche und darstellerische Fähigkeit auf der Bühne mit der einer beeindruckenden Interpretation von Konzertliedern, was eine enorme Anforderung an die Stimme stellt, aber auch eine volle Entfaltung des eigenen Könnens ermöglicht. Mit ihrem Mezzosopran bewältigt sie diese Aufgabe in berührender Art. Sie begeistert durch ihre natürliche und gleichzeitig elegante Ausstrahlung, sie fesselt durch ihre Stimme und durch ihr Vermögen, ihrer Darstellung ein besonderes Gefühl einzuhauchen.
Aber war es nur das, was die Jury zu der Entscheidung des heutigen Abends veranlasste.
Nein – bei weitem nicht!
Wir alle erinnern uns noch an die fürchterliche Brandkatastrophe im Januar 2012, bei dem auch eine Künstlerfamilie unseres Theaters ihr Hab und Gut verlor. Eine Welle der Hilfsbereitschaft und der Solidarität war in Halberstadt, Quedlinburg und Umgebung die Folge, diese Not ein wenig zu lindern.