Theater Quedlinburg

Während des zweiten Sinfoniekonzertes der Spielzeit wurden die Theaterpreise der beiden Fördervereine vergeben.
Wir würdigen damit herausragende Leistungen der Künstler des Nordharzer Städtebundtheaters.

Die diesjährigen Preise gingen an die Sopranistin Bettina Pierags, sowie die Operninszenierung "Hoffmanns Erzählungen".

Herzlichen Glückwunsch!


Foto: Mitteldeutsche Zeitung vom 08.11.2011


LAUDATIO
Stadttheater als starkes Antidepressivum in der noch immer von Depression schwer gebeutelten Region

VON UWE KRAUS
Ich weiß nicht, wie viel Herzblut in so einer Laudatio stecken sollte.
Irgendwie wurde mir die heute zu Ehrende Wegbegleiterin. Wir kamen beide Mitte der80er aus der Ferne in die fremde Stadt. Vielleicht auch mit dem Gedanken, irgendwann wieder zu gehen. Doch wir blieben, haben familiäre Wurzeln geschlagen.
Ich kann nicht so gut singen, besser, ich kann es gar nicht. Doch erinnern kann ich mich an unsere erste bewusste Begegnung. Vorher war sie nur „Die Neue“. Das begab sich zu einer Zeit, da kamen noch mehrere Neuengagierte pro Spielzeit an dieses Haus. Es war auf einer Silvesterfeier in Marienbad, sozusagen die private Bühne. Wir waren eine bunte Truppe. „Ich hab’ getanzt heut’ Nacht“, sang die Sopranistin damals. Am Neujahrsmorgen hüpften wir um eine riesige Rübezahl-Figur. Wer dann seine Gürtelschnalle aus rotem Edelstein - oder war es doch nur Glas -rieb, dem sollte Glück beschieden sein.

Ich denke, Bettina Pierags blieb das Glück treu. Oder war es doch nicht nur Glück, sondern auch Klugheit und ein feines Ohr für die eigene Stimme und um in sich hinein zu hören? So dass das Publikum deren Wohlklang noch heute zu vernehmen vermag. Freundlich, fröhlich, mit Musical-Leichtigkeit statt mit opernhafter Schwere so wirkten ihre ersten Jahre. Sie hat ihren Anteil daran, dass das klassische Stadttheater als starkes Antidepressivum wirkt, hier in der noch immer von Depression schwer gebeutelten Region.
Die Liste der Rollen, die sie am heutigen Nordharzer Städtebundtheater sang, ist lang und liest sich fast wie ein Musical- und Operetten-Führer. In „Madame Pompadour“ gibt sie der dichtenden Kammerfrau Belotte Stimme, mal abenteuerlustig frech-frivol, mal innig-verliebt kichernd und gurrend. In erfrischender Unbekümmertheit steht sie mit Paul Batey als eifersüchtelndes Weib Mascha auf der Bühne: stimmlich voll auf der Höhe, mit Faible für kleine Gags, aber auch tänzerisch nicht zu verachten, sondern förmlich aufblühend. Gleiches erleben wir in „Kiss me, Kate“ und „Die Zirkusprinzessin“. Die Zuschauerherzen flogen ihr zu, vielleicht, weil sie zunehmend nicht mehr nur in eine Schublade passt und immer wieder überrascht. Wer erinnert sich noch an „Kuss der Spinnenfrau“? Aurora, einer Filmdiva, die in ihrer Rollen als Spinnenfrau Herrscherin über den Tod ist. Das Publikum erlebte in dieser Rolle eine grandiose Bettina Pierags. Selten hörte man ihre Stimme so präsent, so füllig und samtig, sah man sie so mondän-verführerisch, wandlungsfähig von anschmiegsam bis todesgefährlich, voller Glamour und tänzerischer Beweglichkeit. Ob als Vamp oder Sanitäterin, Nachtclub-Sängerin oder russische Gräfin, sie erfüllt die Träume der Gefangenen. Längst hat sie den Aufstieg ins ernste Fach geschafft. Koloratursicher gibt sie der Primadonna Corinna durchaus hintersinnig ein wunderbares Zicken-Image, in „Margarethe“ ist sie recht hemdsärmlig, in Carmen die Zigeunerin Mercédès, im „Wildschütz“ besticht sie mit jugendlicher Sopranfrische.
Und dann besetzt sie Hinrich Horstkotte in vier weiblichen Haupt-Rollen; die mechanische Puppe Olympia, die totkranke Sängerin Antonia, die Edelnutte Giulietta und die Diva Stella. Es gibt wohl wenige Künstlerinnen und noch dazu an Häusern dieser Größenordnung, die sich diesen Kraftakt nicht nur zutrauen, sondern die ihn auch so wie diese Sängerin meistern.
Dabei spielt Bettina Pierags ihr ganzes darstellerisches Vermögen aus, rekelt sich lasziv als Kurtisane und sorgt bei ihrem klischeefreien Olympia-Auftritt mit Apfelsparschäler und harter Hand dafür, dass es Szenenapplaus und Lacher in der Oper gibt.
Auch nach dieser gefeierten Premiere tritt sie bescheiden vor ihr Publikum, mit dieser fast demütigen Verbeugung vor jenen, die sie schätzen.

Genauso natürlich trifft sie sich mit ihren Zuschauern und erreicht deren Herzen, nicht nur, wenn sie zum Theaterstammtisch selbst gebackenen Kuchen kredenzt.
Wofür kriegt diese Frau und Mutter zwei Töchter diesen Theaterpreis? Für die Galerie?
Nein, dafür kennt mal sie als recht uneitle Sängerin.
Fürs Lebenswerk.
Nur nicht das!
Es scheint, sie hat musikalisch noch viel vor sich!

Herzlichen Glückwunsch!

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